veröffentlicht am Donnerstag, 07.05.2015 18.42 Uhr
Im August dieses Jahres tritt der neue Berufsauftrag für Volksschullehrpersonen in Kraft. Dabei wird in erster Linie die Arbeit ausserhalb des Unterrichts neu geregelt. Die Folgen werden mehr Kosten, weniger Lektionen für die Schülerinnen und Schüler sowie eine weitere Diskriminierung erfahrener Lehrkräfte sein.
Im Herbst 2014 winkte der Kantonsrat den neuen Berufsauftrag ohne interne Gegenwehr durch. Nach jahrelangem Hin und Her war man es offenbar Leid, erneut einen Reformvorschlag zurückzuweisen oder sogar die Frage nach dessen Bedarf zu stellen. Der Erziehungsrat und an seiner Spitze Regierungsrat Kölliker atmeten auf und deuteten den Beschluss wohl als Seeligsprechung. Nun, diesen Anschein macht es ja auch wirklich.
Erhöhung des Pensums durch neue Berechnung
Worum geht es? Bisher lag das Vollzeitpensum eines Volksschullehrers bei 30 Lektionen pro Woche, wovon 28 in Form von Unterricht erteilt wurden. Die übrigen 2 Lektionen standen dem Lehrer für andere Arbeiten wie Sitzungen, Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern, Weiterbildung, schulinterne Anlässe usw. zur Verfügung. Sie wurden auch Präsenzlektionen genannt. Teilzeitlehrpersonen bekamen meist nur eine oder gar keine Präsenzlektion bezahlt, waren entsprechend aber auch weniger in den Schulbetrieb eingebunden.
Neu sind die 28 Unterrichtslektionen relevant für die Berechnung des Pensums. Sie alleine ergeben per definitionem ein 88%-Pensum. Die übrigen 12% werden in drei sogenannte Berufsfelder aufgeteilt: Schule (5%); Arbeit mit Schülerinnen und Schülern (4%); Weiterbildung (3%). So weit, so gut. Nach wie vor unterrichtet also ein Vollzeitangestellter 28 Lektionen. Die angestrebte Kostenneutralität scheint hergestellt.
Nicht zu vernachlässigen sind jedoch die vielen Teilzeitangestellten im Lehrberuf, welche oft sehr wenige Lektionen unterrichten. Bis anhin wurde beispielsweise einer Lehrerin, die 6 Lektionen unterrichtete, keine Präsenzlektion zugesprochen und sie kam auf ein Pensum von 20%. Ab Sommer 2015 würde ihr Pensum an den 28 Lektionen gemessen und sie käme damit auf rund 21.4%. Die 7% mehr Lohn müsste sie sich mit Sitzungen usw. verdienen.
Der Erziehungsrat bemerkte diesen Missstand und baute zwei Massnahmen ein:
- Erstens: Nach eigenem Ermessen kann eine Schulgemeinde den Unterricht auf 94% hochfahren, die anderen drei Berufsfelder auf je 2% runter. Damit käme die oben erwähnte Frau wieder beinahe auf die ursprünglichen 20% runter. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob Lehrpersonen auf das Lohnminimum gesetzt werden.
- Zweitens: Bei Anstellungen von weniger als 30% kann gänzlich auf die zusätzlichen Berufsfelder verzichtet werden, was bedeutete, dass die Lehrerin von oben unter die bisherigen 20% fällt. Auch hier ist nicht anzunehmen, dass die Schulgemeinden im grossen Stil Pensen runterschrauben werden, da Argumente wie beispielsweise der Weiterbildungsanspruch dagegensprechen.
Abbau bei den Lektionen
Dass diese beiden Kann-Formulierungen nicht greifen und die Mehrkosten rückgängig machen würden, ahnte auch das Bildungsdepartement. In der Folge beschloss es, bei den 3.- und 4.-Klasskindern je eine Lektion zu streichen. Damit wird bei Leistungen gespart, von denen die Kinder direkt etwas haben: dem Unterricht.
Die Umstellung auf Berufsfelder führt also neben höchstwahrscheinlich höheren Kosten zu einem Qualitätsabbau im Schulzimmer. Dabei findet eine Art Arbeitsbeschaffung für Teilzeitlehrkräfte im administrativen Bereich statt. Etwas vereinfacht dargestellt, muss ein Teilzeitlehrer neu an Sitzungen teilnehmen, die bis jetzt auch ohne seine Präsenz stattfanden.
Erhöhung des Lohnunterschieds
Ein letzter Punkt ist die Tatsache, dass Klassenlehrpersonen von nun an nicht mehr pauschal mit einem Betrag entschädigt werden, sondern gemäss ihrer Lohnstufe eine Lektion weniger unterrichten müssen. Dass dadurch mehr Lehrpersonen gebraucht werden, welche ja zuerst kostenintensiv ausgebildet werden müssen, ist nur ein Nebenschauplatz, stellt die behauptete Kostenneutralität aber erneut in Zweifel.
Viel mehr sollte ins Auge stechen, dass dadurch ältere, erfahrene Lehrerinnen und Lehrer noch teurer werden, Junge in den ersten rund 6 Jahren verdienen weniger. Dass auch die Klassenlehrerzulage der Berufserfahrung angepasst wird, leuchtet durchaus ein. Im Kanton St. Gallen ist es jedoch auf der Primarstufe so, dass bereits heute der letzte Lohn über 60% höher ist als der erste (zum Vergleich: In VS sind es nur 45%, siehe Bild). Wenn man die Altersentlastung und den Pensionskassenbeitrag noch mit einbezieht, kostet ein 60-jähriger Primarlehrer rund doppelt so viel wie einer im ersten Dienstjahr.
Mit der lohnstufenangepassten Klassenlehrerzulage und der leicht höheren Altersentlastung geht diese Lohnschere noch etwas weiter auseinander. Es liegt auf der Hand, dass Schulgemeinden aus finanzieller Optik einen Anreiz bekommen, älteren Lehrpersonen das Pensum zu reduzieren.
Der neue Berufsauftrag wird zu einer höheren Belastung des Kantons und der Gemeinden führen, spart bei den Lektionen und schafft Anreize, um ältere Lehrkräfte loszuwerden. Ein hoher Preis für die ursprüngliche Idee der "gerechteren" Entlöhnung.